Eissegler- Rettungsmittel- Testbericht vom 18. Februar 2012

Geschrieben von: Mark Saparautzki

Pönitzer See, Freitag, 12.00 Uhr, 4°.

Das Eis liegt spiegelglatt vor uns. Mist! Es ist einfach zu warm. Wir (Mark und ich) beschließen die Eissegler nach 14 tollen Tagen, an denen auch wieder viele nette und schnelle „No Locals“ dabei waren, abzubauen.

Kinder sind in KiKa und Schule, Mark hat eine Stunde Luft- guter Zeitpunkt. Ich will noch schnell die Wäsche im Keller erledigen und Mark verabschiedet sich mit den folgenschweren Worten: „Ich dreh vorher eine Runde, ich will den neuen Trimm am Segel ausprobieren.“ „OK, ich komme gleich nach.“ Ich schau vom Wohnzimmerfenster aus noch zu, wie Mark aufriggt und startet.

Aus dem Wäschekeller höre ich Minuten später hektisch mein Handy klingeln- sehr lange. Mark. Oje! Ich hör nix. Nur so ein komisches rhythmisches “ patsch- patsch- patsch- patsch…“ . Verdammt. Ich renne zum Fenster, greife das allgegenwärtige Fernglas und sehe – nichts. Kein DN- Segel, dass über den See flitzt, keinen Mark, am Steg ist er auch nicht! Und am Handy immer noch „patsch, patsch, patsch,…“ Oh man, jetzt aber los! Sicherheitsleine mit Eishaken zum Einschrauben, Eispickeln umn´ Hals, Spikes an die Flossen, was noch?- Fernglas und Handy. OK, das muß fürs erste reichen.

Ich renne in den Kurpark und kurze Zeit später erklärt sich mir das Patsch Patsch. Mark kommt zu Fuß von janz weit draußen (JWD- wie der Berliner sagt! ) zurück. Weit hinter ihm zeugt ein aufrecht stehender, dicker schwarzer „Balken“ vom Verbleib des DN`s. ICH GLAUB DAS NICHT! Eingebrochen! Aber Mark scheint es, Gott sei Dank , gut zu gehen. Zu mindest aus der Entfernung.

„Ist nicht schlimm“ so der Einbruchfachmann (muß man das sein?). „Ich hole die lange Aluleiter und Seile.“ „OK, ich die Kinder.“ Als ich zurückkehre, liegt Mark mehr oder weniger draußen auf dem Eis- weit weg vom DN. Da läuft was nicht wie gedacht! Ich informiere also die Kinder, dass das Mittagessen heute etwas später auf den Tisch kommt (wie optimistisch), ziehe mich warm an, schnalle unsere im Garten vor sich hin oxydierende Surf- Lerninsel (3m lang, 1m breit, 200l Volumen) auf den Buggy und rolle Richtung See. Die alte PE-Gurke an eine Sicherungsleine, Spikes an und ich mache mich auf den Marsch. Der Weg ist weit! Wenn Mark bequem übers Eis latschen kann, dann wird´s mich mit 35kg weniger wohl erst recht tragen- ich bin nämlich ein kleiner Angsthase. Habe trotzdem mein Board dicht neben mir an der kurzen Leine.

Auf halbem Weg kommt mir Mark entgegen- mit einem riesigen gelben Kragen um den Hals und klatschnass- ziemlich durchgefroren. „Hat keinen Sinn, alles nur Wasser, Eis zu dünn, bin mit Leiter zweimal eingebrochen- man kommt gar nicht an den DN ran!“ „Aber“, setzte ich an, „ich könnte doch mit dem Surfbrett..“- „Nein! Es geht nicht!“ Gut, ich gehorche, wir drehen um. Und nun? Der blöde Schlitten läuft voll Wasser und droht zu sinken. Super! Die schwarze Läuferplanke steht schon in einem anderen Winkel als zuvor.

Mark sieht nicht so gut aus. Schleppt sich ziemlich dahin. „He, ich schleppe 20 kg Wasser mit mir herum, das ist anstrengend.“ Als ich anrege, die vollen Gummistiefel auszuleeren, heißt es: „Bist du verrückt- das Wasser darin ist schön warm! Wir holen jetzt ein Boot!“ Ich rufe eine Bekannte mit Seegrundstück zu unserer Linken an, ob wir Ihr Dinghy nehmen dürfen- wir dürfen. Licht am Horizont.

Wir also mit Surfbrett am Ruderboot, langer Leine an Aluleiter und etlichen anderen Leinen (wir müssen doll ausgesehen haben), alles im Schlepptau wieder auf den Marsch. „Mensch, konntest Du nicht weiter vorn einbrechen? Die Latscherei nervt.“ „Ich bin nicht eingebrochen, ich bin in ein Wasserloch gefahren!“ Ah ja. Mir ist pudelwarm, ich schwitze, ich bin voller Tatendrang. Da liegt ein DN mit nagelneuem full full Power Segel und Carbonmast und droht zu sinken, an der wahrscheinlich tiefsten Stelle des See´s (19m)!

Mark ist kalt- war jetzt aktuell 3x im Wasser- hat taube Hände. „Los- schneller!“ Ich weiß nicht so recht, worüber ich mir mehr Sorgen machen soll, um Mark oder den DN. Das schwierigste sollte aber noch kommen. Als wir endlich ankommen, kurze Besprechung. Jetzt kommt das Ding, weswegen ich auch auf dem Boot immer diejenige bin, die in den Mast muß, wenn was kaputt ist, das Gewicht. Ich laufe neben dem Boot vorsichtig Richtung DN, alle Leinen am Boot zur Sicherung und am anderen Ende der Eishaken 15 cm tief von Hand ins dicke Eis geschraubt.

Das arme Ding liegt komplett im Wasser, nur das Rigg liegt auf Eis bzw. Schollen. Die Leine (kommt einem an Land sooo lang vor) reicht gerade so weit, dass ich das Top greifen kann. Die Leine ist zu KURZ. Mist! Oh, ich habe noch eine Wasserskileine, aufgeschossen incl. einem 3-fachen Wulingsteg, dabei. Es dauert endlose Sekunden, bis die Verlänegrung steht. DN- rühr dich nicht- bin gleich bei dir. Mensch, wer hat diese blöde Leine aufgeschossen? Dann versuche ich irgendwie den Schlitten zu greifen, drehen, heben. Was soll ich überhaupt machen? Das Teil ist bleischwer, mindestens 50l Wasser drin, eine Kufe unter Wasser! Wie soll ich die je auf Eis kriegen?

Mark bellt von hinten Anweisungen- nicht das Masttop unter Wasser- dann säuft er ab! Toll! Ich verzweifle langsam. Schufte und schufte. Aussichtslos. Ich versuche wenigstens, den Schlitten zu sichern, damit er nicht untergeht. Komisch, das eiskalte Wasser stört gar nicht! Mein Handy klingelt! Natürlich gerade jetzt. „Mami, wir haben Hunger!“ Ich Rabenmutter. „Nehmt Euch einen Apfel, eine Banane, eine Scheibe Brot, ist mir alles wurscht! Wir können jetzt NICHT!“

Kurzzeitig kommen mir fast die Tränen- aber ich will nicht aufgeben. Ich mache erstmal meine nicht wasserdichte Uhr und den GPS von der neuen, nun hübsch gebogenen Alupinne ab und schmeiße beides ins Boot. Neue Strategie: Mark kommt auf dem Surfbrett zu mir zum Boot. Was nun folgt, kann ich kaum beschreiben. Wir schuften zu zweit wenigstens eine halbe Stunde, Mark geht wieder einmal baden- wir tauschen die Plätze- ich auf´s Surfbrett- kentern fast- im Boot ist soviel Wasser, dass ich meine Uhr auch hätte anbehalten können- bluten beide an den Händen, wie die Schw…, alles egal, wir schaffen es, den sauschweren Schlitten irgendwie aufs Boot zu ziehen, ich stehend auf dem Board das Segel aus dem Wasser drückend. Der Wind drückt es wieder runter. Oh nein, also sofort Segel runter, ohne Fallvorlauf- egal.

Dann haben wir alles einigermaßen sicher an Bord. Jetzt zurück auf´s Eis. Leichter gesagt als getan. Der Eishaken hält. Aber Mark, der vor Schmerzen fast weint (kennt Ihr das Gefühl, wenn kalte Hände wieder warm werden? Surfer kennen das alle) kann uns kaum zurück ziehen. Unter uns bricht immer wieder das Eis weg. Aber irgendwann klappt auch das. Uff!! Mir tropft das Blut von der Hand. „Ins neue Segel!“ „Hast Du sonst noch Probleme?“ Später werde ich feststellen, dass ich mir eine Kufe quer über die Innenseite meiner Finger gezogen habe. Mark hat sich am Eispickel verletzt, den er übrigens zu seinem Erstaunen beim sich auf´s Eis ziehen verbogen hat. Diese Eispickel habt Ihr auch alle!!

DN auf´s Eis gestellt, kurz gecheckt, soweit alles heil, naja, ein bißchen Leim und eine neue Lackierung wird fällig. Der neue Mast hat ein paar Schrammen vom Boot, das neue Segel BLUTFLECKEN! Alles nicht so schlimm. Wir latschen, wieder mal, den langen Weg zurück und schieben das beladene Boot vor uns her. Dass Mark zu einem wichtigen Termin und die Zwillinge zu einem Kindergeburtstag zu spät kommen tritt völlig in den Hintergrund. Mann und DN gerettet!!

Was für ein Tag! Die Sonne scheint übrigens. 3 – 4 Bft. Spiegeleis. Und ein! blödes Loch!

Der Eishaken hat uns gerettet. Aus dem Bergsteigerbedarf! Kann ich jedem nur empfehlen. Ohne dieses Teil hätten wir uns nie zurück auf´s Eis ziehen können. Surfbretter in der Nähe sind auch nicht schlecht.

Was lernen wir nun daraus? Mark im besonderen bestimmt nichts!!!

Wir im allgemeinen:
• Aluleitern schwimmen nicht
• Eispickel verbiegen
• Rettunswesten behindern
• Gummistiefel mit Wasserinhalt wärmen
• Eis taut irgendwann bei Wärme
• Man sollte auf Wasserlöcher achten (ach nee!)
• Und- die berühmte letzte Runde sollte man sich sparen

In diesem Sinne sehen wir uns hoffentlich alle gesund auf dem nächsten Eis wieder.

Eure Susi vom Pönitzer See

Irgendwann ist jede Saison vorbei und die nächste steht bevor